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Förderkapazität und Startfolgezeit

Spike Blog 6. Mai 2025 5 Min. Lesezeit
Zusammenfassung
Bei der Planung von Achterbahnen und anderen Transportsystemen sind die Transportkapazität und die Startzeit entscheidende Faktoren. Bei Spike Coastern wird durch die integrierte Abstandsregelung eine hohe Kapazität auch mit kleineren Fahrzeugen erreicht. Der Artikel beleuchtet die technischen Details und Überlegungen, die in die Konstruktion und Optimierung dieser Fahrgeschäfte einfließen.
 
 

Kapazität

 
Die Beförderungskapazität (Kapazität), ausgedrückt in Personen pro Stunde (pph), ist eines der wichtigsten Entscheidungskriterien für Achterbahnen und andere Transportsysteme. Sie errechnet sich aus der Anzahl der Fahrgäste bzw. Sitze pro Fahrzeug (Sitze) und der Anzahl der Fahrzeugstarts pro Stunde (Abfahrten):
 
Kapazität = Sitzplätze x Abfahrten
 
Aus den Starts pro Stunde errechnet sich die Startfolgezeit in Sekunden (Startfolgezeit) zu:
 
Startfolgezeit = 3600 / Abfahrten    oder umgekehrt:
Abfahrten = 3600 / Startfolgezeit
 
woraus sich ergibt:
 
Kapazität = Sitze x 3600/Abfahrten

Beispiel:
Fahrzeug mit 10 Sitzen: Sitze =10
Startfolgezeit = 20 s (d.h. 3600/20= 180 Starts pro Stunde)
Kapazität = 10 x 3600/20 = 1800 pph

Die Kapazität ist also umso größer, je mehr Sitzplätze pro Fahrzeug zur Verfügung stehen und je kürzer die Startfolgezeit ist. Oft ist es erwünscht, die Anzahl der Sitzplätze pro Fahrzeug gering zu halten, so dass die Startfolgezeit zur entscheidenden Komponente wird.
Gründe für den Einsatz kleinerer Fahrzeuge mit wenigen Sitzen anstelle großer Züge können sein:
- Interessanteres Layout mit engeren Radien
- Leichtere Tragkonstruktion mit weniger Stützen
- Größere Zuschauerattraktivität durch häufigere Fahrzeugbewegungen
- Kürzere und leichtere mechanische Einbauten (Schiebebühne, mechanische Spezialeffekte)
- Bessere Interaktionsmöglichkeiten für die Fahrgäste
 
Gerade der letzte Punkt hat dazu geführt, dass beim Spike Racing 2-sitzige Fahrzeuge zum Einsatz kommen. Denn so wird das Verhältnis zwischen Fahrern, die aktiv die Geschwindigkeit steuern können, und passiven Fahrgästen maximiert.
2-sitziges Spike Racing Fahrzeug mit interaktiv steuerndem Fahrer
 
Maurer Rides Spike Sky Dragster 3
2-sitziges Spike Racing Fahrzeug mit interaktiv steuerndem Fahrer
 
 

Sicherheitsblöcke versus Abstandssteuerung

 
Der für eine hohe Kapazität erforderlichen Minimierung der Startfolgezeit sind bei herkömmlichen Achterbahnen durch die sicherheitstechnisch notwendige Einteilung in Blockabschnitte Grenzen gesetzt. Die einzelnen Blockabschnitte müssen durch Sicherheitsbremsen voneinander getrennt sein. Damit wird sichergestellt, dass sich in einem Sicherheitsblock immer nur ein Fahrzeug befindet, das rechtzeitig angehalten werden kann, falls der nächste Block unvorhergesehen noch nicht frei ist. Die Sicherheitsbremsen sind so angeordnet, dass ein angehaltenes Fahrzeug nach dem Lösen der Bremse immer ohne zusätzliche Hilfe bis zum Bahnhof weiterfahren kann. Die Blockgrenzen liegen daher immer an den Hochpunkten der Anlage. Die dazwischen liegenden Fahrfiguren bestimmen somit die Blocklänge und die Blockdurchfahrtszeit, die wiederum die minimale Startfolgezeit festlegt. Umgekehrt begrenzt also die erforderliche Kapazität die mögliche Dauer zusammenhängender Fahrfiguren.
 
Bei Spike-Coastern sind die Sicherheitsbremsen in den Fahrzeugen eingebaut. Sie werden im Notfall über eine Abstandssteuerung aktiviert. Blockabschnitte oder in der Strecke eingebaute Sicherheitsbremsen können daher entfallen, so dass weder die Dauer der Fahrfiguren noch die Startfolgezeit dadurch eingeschränkt werden.
Auf diese Weise können auch mit zweisitzigen Fahrzeugen sehr hohe Förderleistungen erreicht werden, wie das folgende Diagramm zeigt:
 
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In der Praxis wird die minimale Startfolgezeit und damit die erreichbare Kapazität am Spike nur durch den erforderlichen Sicherheitsabstand zwischen zwei Fahrzeugen und durch die Abfertigungszeit im Bahnhof begrenzt. 
 
 

Sicherheitsabstand

 
Bei der Bestimmung des erforderlichen Sicherheitsabstandes zwischen zwei Spike-Fahrzeugen wird davon ausgegangen, dass ein defektes Fahrzeug im ungünstigsten Fall ohne Verzögerung abrupt anhalten kann. Der Abstand zum nachfolgenden Fahrzeug muss dann so groß sein, dass dieses vorher sicher zum Stillstand kommt („Brickwall“-Kriterium).
 
Die reine Bremszeit (t) hängt von der Bremsverzögerung (a) und der aktuellen Geschwindigkeit (v) ab:
t = v/a

Beispiel:
Geschwindigkeit: 80 km/h = 22 m/s
Bremsverzögerung: 1,2 g = 12 m/s²
Bremszeit: t=(22/12) s = 1,89 s

Bei einer Bergabfahrt ist zusätzlich die aus dem Neigungswinkel α resultierende Hangabtriebsbeschleunigung (a_hill) zu berücksichtigen (mit g= Erdbeschleunigung =9,81 m/s²): a_hill = sin(α) x g

Beispiel:
Neigungswinkel: 40°
Hangabtriebsbeschleunigung: a_hill= sin(40°) x g = 0,64 g = 6,3 m/s²

Die durch die Bremskraft generierte Bremsverzögerung a wird durch die Hangabtriebs-Beschleunigung reduziert, so dass sich bei einer Bergabfahrt als Bremszeit (t) ergibt:
t = v/(a-a_hill)

Beispiel:
Geschwindigkeit: 80 km/h = 22 m/s
Bremsverzögerung: 1,2 g = 12 m/s²
Neigungswinkel: 40°
Bremszeit: t= (22m/s) / ((1,2-0,64) x g) = (22m/s) / ((1,2-0,64) x 9,81m/s²)= 4 s

Hinzu kommen die Reaktionszeit der Steuerung und der Bremsmechanik sowie ein zusätzlicher Sicherheitspuffer.
Der sich in der Praxis ergebende Sicherheitspuffer kann für jedes Layout durch Simulation genau ermittelt werden, wird aber bei Spike ca. 7 s nicht überschreiten. Mit einer so eingestellten Startfolgezeit wird nach obiger Gleichung auch mit nur zwei Sitzen pro Fahrzeug eine Kapazität von über 1000 pph erreicht.
 
Soll zusätzlich die Möglichkeit der interaktiven Steuerung beim Spike Racing genutzt werden, so ist die in der Steuerung einstellbare Fahrzeitdifferenz zwischen dem schnellsten und dem langsamsten Fahrer zur minimalen Startfolgezeit hinzuzurechnen. Beträgt diese Differenz z.B. 3 Sekunden, würde sich die oben angegebene minimale Startfolgezeit auf 10 s erhöhen, was zu einer Kapazität von 720 pph führen würde. Entsprechend größere Interaktionsspielräume würden die Kapazität weiter reduzieren, es sei denn, es werden Synchronisierungspunkte in der Layoutplanung berücksichtigt, an denen der Abstand zwischen schnellem und langsamem Fahrzeug wieder auf die ursprüngliche Startfolgezeit eingestellt wird. 
 
 

Bahnhofsabfertigung

 
Das übliche Stationsschema, bei dem die Fahrzeuge zum Ein- und Aussteigen eine feste Halteposition einnehmen, sollte bei kurzen Startfolgezeiten unter 20 s durch das dann platzsparendere und robustere kontinuierliche Stationshandling (Omnimover) ersetzt werden, bei dem das Ein- und Aussteigen in die langsam durch die Station fahrenden Fahrzeuge erfolgt. Nach EN 13814 und ASTM sind dabei Geschwindigkeiten bis 0,5 m/s zulässig, höhere Fahrgeschwindigkeiten erfordern ein Förderband, mit dem die Fahrgeschwindigkeit verdoppelt werden kann. Komfortüberlegungen oder Vorgaben von Zertifizierungsgesellschaften können dies ggf. auch schon früher erforderlich machen, z.B. ab 0,4 m/s.
 
Die mit dem kontinuierlichen Bahnhof möglichen Startfolgezeiten (t) hängen von der Fahrgeschwindigkeit (v) sowie der Fahrzeuglänge plus Sicherheitsabstand (l) ab:
t = l/v

Beispiel
Geschwindigkeit: v=0,4 m/s
Fahrzeuglänge inkl. Sicherheitsabstand: l= 4m
Mögliches Startfolgeintervall: t = 4m / 0,4m/s = 10 s

Anzahl benötigter Fahrzeuge

 
Steht die gewünschte Kapazität und damit die Startfolgezeit (t) fest, kann aus der Zykluszeit (T=Fahrzeit+Stationszeit) die erforderliche Anzahl (A) der Fahrzeuge ermittelt werden:
A = T / t

Beispiel:
Startfolgezeit: t = 10 s
Zykluszeit: T = 70 s
Anzahl der Fahrzeuge: A = 70s/10s = 7

Die gewünschte Fahrzeit bzw. Streckenlänge und die Kapazität sind somit die entscheidenden Parameter für die Budgetierung der Bahn.